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KARINA - IM KONFLIKT

Ich wusste schon sehr früh, was ich mal machen möchte: Im Kindergarten habe ich beschlossen, ins Ausland zu gehen, wenn ich mit der Schule fertig bin und in der Grundschule war dann auch mein Berufswunsch gesetzt: Musiklehrerin für Gehörlose.

Auf dem Weg kamen dann noch ein paar andere Ideen auf, aber tatsächlich war ich nach dem Abitur erstmal für 12 Monate in Peru und jetzt bin ich mit meinem Sonderpädagogikstudium auch auf dem besten Weg, Musiklehrerin für Gehörlose zu werden. Über die ganzen Jahre habe ich gemerkt, wie mir genau dafür Türen geöffnet wurden. Und über ein paar (im Nachhinein sehr sinnvolle) Umwege bin ich schließlich nach Köln gekommen, wo ich genau das studieren kann und mich auch sonst sehr wohl fühle. Dem gegenüber steht der Wunsch, als Missionarin ins Ausland zu gehen. Spätestens während meiner Zeit in Peru ist das schon ein Ziel, von dem ich ziemlich sicher war und bin, dass Gott den Wunsch auch in mich gelegt hat. Aber alle Versuche in dieser Richtung sind bisher gescheitert, was mich doch immer wieder sehr frustriert. Gleichzeitig überlege ich, ob mein Beruf doch der falsche ist, ob es vielleicht doch nicht Gottes Wille ist, dass ich ins Ausland gehe, …


In dieser ganzen Unsicherheit kam dann das Erweiterungsfach Gebärdensprache um die Ecke. Auch hier wurden alle Türen geöffnet, alle Unwägbarkeiten aus dem Weg geräumt und ich habe angefangen, mich in Deutscher Gebärdensprache weiterzubilden, ein Erweiterungsstudium (neben meinem normalen Studium) anzufangen, in dem ich noch mehr Gebärdensprache (und noch ein paar andere Sachen) lerne. Und wieder bin ich mir unsicher. Einerseits ist es genau das, was ich brauche um auf Gebärdensprache zu unterrichten, es ist aber auch wieder ein Schritt weg von „ich gehe ins Ausland und arbeite dort“. Denn mit der Deutschen Gebärdensprache kann ich beispielsweise in Chile nicht so viel anfangen… Denn erstens wird dort chilenische Gebärdensprache genutzt und zweitens liegt dort in der Pädagogik ein großer Fokus auf lautsprachliche Erziehung, die quasi das Gegenlager zur gebärdensprachlichen Erziehung bildet. (Wobei nur so als Anmerkung: In Chile müssen alle Lehrkräfte an Schulen für Gehörlose seit den 1980er Jahren die chilenische Gebärdensprache können, in Deutschland ist das immer noch nicht Pflicht.)

Womit wir zum nächsten Punkt kommen: Warum sollte ich ins Ausland ziehen und dort den Menschen versuchen, die Notwendigkeit von Gebärdensprache näherzubringen, soziale Projekte für gehörlose (und damit häufig isolierte) Kinder schaffen, wenn doch in Deutschland der Bedarf mindestens genauso groß ist. Wenn es in Deutschland Schulen für Gehörlose gibt, bei denen die gehörlosen Schüler Gebärdensprachdolmetscher brauchen um mit ihren Lehrkräften kommunizieren zu können (Link).


Und so lebe ich seit ein paar Jahren zwischen diesen beiden entgegengesetzten Lebensentwürfen… Im einen Moment bin ich mir sicher, dass ich in Deutschland bleibe und mich hier für die Gehörlosen-Community stark mache, dass ich auf Gebärdensprache unterrichte und als Beamte eine sichere Arbeitsstelle habe. Und dann denke ich wieder, dass ich doch eigentlich total für das interkulturelle Leben geschaffen bin, meine Begabungen im Sprachen-Lernen „vergeude“ und so viel Potential – auch in meiner Beziehung zu Gott – nicht nutze, wenn ich den naheliegenden, „einfachen“ Weg gehe.

Bis mir vor ein paar Wochen aufgegangen ist: Gebärdensprache ist auch eine Fremdsprache (noch dazu eine Fremdsprache, die ich sehr liebe). Die Gehörlosen-Community ist auch eine andere Kultur. Zwar lebe ich dann immer noch im „langweiligen“ Deutschland, aber es hat auch Vorteile im eigenen Land eine Minderheitengruppe sozial und missionarisch zu unterstützen. Man hat beispielsweise nicht so hohe Reisekosten, wenn man mal die Eltern besuchen möchte.


Ja, ich finde es immer noch sehr reizvoll, im Ausland zu wohnen, quasi nonstop der Fremdsprache „ausgesetzt“ zu sein und ich habe mich mit der peruanischen Kultur auch sehr wohl gefühlt – ich würde also schon auch gerne wieder dort leben. Und nein, ich habe jetzt keinen ausgearbeiteten Lebensplan. Auch in Deutschland gibt es beispielsweise noch einige Standorte, an denen ich arbeiten und leben kann. Und vielleicht wird es ja auch trotzdem nicht „nur“ die Arbeit in der Schule. Aber ich hatte das erste Mal das Gefühl, dass die beiden Lebensentwürfe gar nicht so gegensätzlich sind.

Und was ich dir damit sagen möchte: manchmal sind es die kleinen Erkenntnisse, die mir so viel Frieden schenken, in denen ich Gottes Wirken ganz klar erkennen kann und mit denen ich wieder besser darauf vertrauen kann, dass Gott schon einen wunderbaren Plan hat und mir zur richtigen Zeit die richtigen Erkenntnisse gibt um diesem Plan zu folgen.



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